„Unser Wallraf ist – nicht mehr unter den Irdischen“
– die Reaktionen auf Wallrafs Tod
Sebastian Schlinkheider
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Direkt auf der Titelseite und naturgemäß einsortiert in die Kategorie „Preußen“ druckt die überregional wahrgenommene Kölnische Zeitung in der Ausgabe des 20. März 1824 einen knappen, aber prominent platzierten Nachruf anlässlich eines allzu lokalen Trauerfalls. Er beginnt mit den Worten: „Unser Wallraf ist – nicht mehr unter den Irdischen.“
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Schon beinahe hymnisch erscheinen die sich anschließenden – in Wallraf-Darstellungen ohnehin geradezu unvermeidlichen – Verweise auf seine Sammeltätigkeiten und die Schenkung an die Stadt: „In diesen Früchten seines Kunsteifers, die er mit so rastloser Mühe, mit so manchem Opfer, mit freiwilliger Verzichtung auf Bequemlichkeit des Lebens erkaufte, wird sein Name durch ferne Zeiten fortleben. Aber, was er selbst unserer Stadt in Belebung des Sinnes für alles Schöne und Gute war, ist unersetzlich.“ Das Fortbestehen seiner Sammlung wird also gewissermaßen als Denkmal mit dem durchaus üblichen Topos der Aufopferung Wallrafs
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Abschließend werden die Kölnerinnen und Kölner – nicht ohne Verweis auf die Zugehörigkeit zum preußischen Königreich – noch einmal an die Köln-Ergebenheit des Verstorbenen erinnert: „Die Ehre Kölns war der Stolz in allem seinem Streben und Wirken. Wir dürfen indessen auch sagen, die Kölner nennen ihn mit Stolz ihren Mitbürger. So wie ihm schon im Leben die, durch hohe Beweise der Huld unsres erhabenen Landesvaters gekrönte, allgemeine Anerkennung seiner Verdienste geworden, so wird sie auch immer sein Andenken segnend begleiten.“
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Während dieser Nachruf vor allem Wallrafs Leistungen im Hinblick auf Köln hervorhebt, betont der ebenfalls bei DuMont-Schauberg erschienene Totenzettel[8] Wallrafs stärker dessen unterschiedliche Professionen und sein öffentliches Wirken. Er beginnt mit den Worten „Trauert, Kirche, Wissenschaft und Kunst! trauert, Bürger Kölns! um das Hinscheiden des Hochwürdigen Hochgelehrten Herrn Ferdinand Franz Wallraf“, der sodann in seiner Eigenschaft eines „Jubilarpriesters
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In der darauffolgenden knappen Zusammenstellung seines Lebens überwiegen ebenfalls Schilderungen, die sich auf Wallrafs tatsächlichen Werdegang und seine persönlichen Eigenarten konzentrieren So ist dieser Totenzettel zwar sicherlich in seiner wertenden Absicht nicht minder idealisiert und überschwänglich formuliert, allerdings scheinen Details im Leben Wallrafs sehr viel deutlicher auf: „Ausgerüstet mit einem Reichthum von Kenntnissen, die er, bei vorzüglichen Natur-Anlagen, doch sonst ungünstigen Verhältnissen, nur durch eigenes Streben errungen, stand er da – beispiellos in seinem durch Mühen und Opfer jeder Art bethätigten Eifer für geistige Schönheit, trachtend einzig in allen Stürmen der Zeit, zu retten und zu sammeln Schätze des Wissens und der Kunst aus der Vorzeit, zu fördern Schönes für Gegenwart und Zukunft.“
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Erst im folgenden Absatz taucht die „Verherrlichung Kölns“ dann doch auf, wird allerdings als Wesenszug unter mehreren anderen erwähnt: „So begeistert für die Verherrlichung des Dienstes Gottes, für öffentliche Veredlung überhaupt und besonders für den Ruhm der Vaterstadt, ward er der belebende Mittelpunkt aller auf diese Zwecke gerichteten Bestrebungen in seinem vielumfassenden Wirkungskreise.“ Auch durch diese Beschreibung wird Wallraf hier eine aktive Rolle in der Darstellung mit individuellen Akzenten zugebilligt, während er im Nachruf der Kölnischen Zeitung vor allem als Ausgangspunkt einer Selbstdarstellung der Stadt Köln und ihrer Bedeutung genutzt wird. Es folgen eine Beschreibung seiner positiven Rezeption „[i]m Auslande nicht minder, als in der Heimath“ sowie der etwas näher bestimmten Umstände seines Todes, bevor ein summarischer Segenswunsch den Totenzettel abschließt, der noch einmal „seinen einflußreichen Standpunkt im Leben“ hervorhebt.
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Ein weiteres Zeugnis einer unmittelbaren Reaktion auf den Tod Wallrafs stellt der Nachruf in der kurzlebigen
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Kurz wirft der Nachruf ein Schlaglicht auf Wallrafs „thatenreiche[s] Leben“, das er, „die Früchte seines Strebens und Wissens um sich her versammelt, geziert mit der Bürgerkrone und dem Lorbeer“, beendet habe. Eine ausführliche „Darstellung des Lebens, der Verhältnisse, der Bildung, des Eifers, des Wirkens und der treuen Hingebung des Verstorbenen“ wird allerdings hier nicht unternommen. Stattdessen plane ein „hiesiger bekannter Schriftsteller, der das Menschen- und Kunstleben Wallrafs auszuarbeiten beginnt, jene Darstellung zur Übersicht des Ganzen in diesen Blättern“ – Es ist etwas unklar, auf welchen Schriftsteller sich diese Ankündigung konkret beziehen soll, allerdings liegt es nahe, dass der unten genauer betrachtete Schriftsteller und früheste Wallraf-Biograph Wilhelm Smets (1796–1848) gemeint ist. Seine Darstellung erschien allerdings ab dem 3. Juni 1824 im Beiblatt der Kölnischen Zeitung – in der Agrippina findet man über den Rest des einzigen Erscheinungsjahr 1824 hinweg keinen Hinweis mehr auf Wallrafs Leben. Der lateinische Satz „ultra posse nemo tenebitur“ (dt. Über das Können hinaus wird niemand verpflichtet sein), den die Redaktion mit Blick auf die Ankündigung „gerne“ einräume, mag ein Hinweis darauf sein, dass ein Erscheinen einer Wallraf-Biographie in der Agrippina bereits bezweifelt worden ist. Dennoch sei klar, „daß ein Werk über das Kunst-Streben des vortrefflichen Wallraf von dem größten Interesse für Jeden sein muss, dem die Sache des Schönen am Herzen liegt […]“. Trotz dieser verallgemeinernden Beteuerungen und des künstlerischen Zuschnitts ist der Nachruf auf Wallraf in der Agrippina insgesamt recht knapp.
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Eine zeitnahe Veröffentlichung, deren ambitioniertes Ziel darin bestand, Wallrafs ganzes Leben und Wirken einer ausführlichen Würdigung zu unterziehen, stellt die bereits erwähnte Wallraf-Biographie des Autors und Journalisten Wilhelm Smets dar. So heißt es in einer undatierten Notiz
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Fuchs zufolge hat Smets seine Darstellung unmittelbar mithilfe der Nachlassakten Wallrafs erarbeitet. Dies macht die Schrift einerseits natürlich zu einem wichtigen zeitgenössischen Zeugnis seines Lebens, zumal Smets damit das Verdienst der ersten ausführlichen Biographie Wallrafs zuzurechnen ist. Auf der anderen Seite darf man den Altersunterschied zwischen Smets und Wallraf, der immerhin 48 Jahre betrug
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Vielleicht ist es deshalb sinnvoller, in den Ausführungen vor allem eine Quelle für Wallrafs Bild in der Öffentlichkeit und den Wunsch der kulturellen Elite zu sehen, ihm eine posthume Würdigung zuteilwerden zu lassen, und weniger eine im Wortlaut zuverlässige Quelle zu Wallrafs Lebensereignissen. Dennoch: Auch in aktuellen Publikationen wird Smets – sicherlich auch in Ermangelung alternativer ausführlicher Darstellungen – als Gewährsmann für Aussagen über Wallrafs Lebensumstände angeführt, so etwa in Klaus Müllers Wallraf-Biographie von 2017, in der es heißt: „Das 1825 erschienene Werk des Domkaplans, Religionslehrers und Schriftstellers Wilhelm Smets, das er als ‚biographisch-panegyrischen Versuch‘ untertitelte, stellt heute eine wichtige Quelle dar. Denn Smets, der 1820 nach Köln kam, war mit Wallraf bekannt und konnte daher zuverlässig über sein Aussehen und Wirken, seine Religiosität und sein Sterben berichten.“
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Trotz der zuvor genannten Vorbehalte soll eine Passage aus Smets‘ anschaulicher Beschreibung des letzten Lebensabschnittes Wallrafs ausführlicher hier wiedergegeben werden: „Allmählich dehnte sich die nachtheilige Einwirkung des Schlagflusses auch auf die Geisteskräfte mehr und mehr aus. Doch hatte er noch helle Augenblicke, wo sein sprühender Witz sich in seiner alten Lebendigkeit zeigte. So empfing er auch bei völligem Bewußtseyn das heil. Abendmahl, und als ihm, beim wiederholten Empfange desselben, die heil. Oelung ertheilt wurde, war seine Geisteshaltung seiner Gottergebenheit gleich. Er bethetete die Gebethe der Sterbenden kraeftig, inbrünstig und unerschüttert mit. Nach vollbrachter heiliger Handlung zeigte sich sein Gemüth so heiter und aufgeregt, daß die Umstehenden zu einander sagten: sieh! Das ist in Wahrheit noch einmal ganz unser Wallraf! Jubelnd brachte er die Gesundheit aus: Alaf Köln! – Aber leider war dieses seine letzte Aeußerung von Freude, das letzte Aufstreben seines Geistes in der irdischen Hülle. Am folgenden Tage waren seine Kräfte wieder sehr herabgesunken und sanken allmählig immer mehr, bis am 18. März, Morgens ein Viertel nach 1 Uhr, sein Geist das Irdische verließ. Mehrere seiner vertrautesten Freunde umstanden sein Sterbelager und getrauten sich lange nicht, vom tiefen, stummen Schmerze ergriffen, einander den großen, unersetzlichen Verlust zu gestehen.“
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Die Betrachtung der unterschiedlichen zeitgenössischen Reaktionen auf den Tod des einflussreichen Kölner Sammlers verdeutlicht, dass es vielfach in der Absicht der Autoren lag, über die Schilderung der Todesumstände und das Bekunden von Trauer hinausgehend auch die Bedeutung Kölns zu unterstreichen und die Leistungen des Verstorbenen dabei gewissermaßen zu instrumentalisieren. Fast immer ist eine idealisierende und positiv wertende Darstellung zu erkennbar. Gleichzeitig lassen sich durchaus voneinander abweichende Schwerpunktsetzungen erkennen, besonders im Bezug auf die jeweils als denk- und erinnerungswürdig herausgestellten Eigenschaften oder Tätigkeiten Wallrafs sowie die aus seinem Leben berichteten Ereignisse und persönlichen Informationen. Insgesamt eröffnet eine Betrachtung der unmittelbaren Reaktionen
Anmerkungen
URL: http://wallraf.mapublishing-lab.uni-koeln.de/wallraf-in-koeln/wirken-und-nachwirkung/wallraf-rezeption-bestandsaufnahme/ (28.3.2018). Vgl. dazu Peter Stauder, Die Hochschulschriften der alten Kölner Universität 1583–179: Ein Verzeichnis, München 1990, S. 166. Auch Deeters, Ausstellung (wie Anm. 4) erwähnt dies nicht.
Empfohlene Zitierweise
Sebastian Schlinkheider, „Unser Wallraf ist – nicht mehr unter den Irdischen“ – die Reaktionen auf Wallrafs Tod, aus: Elisabeth Schläwe / Ders., Letzter Wille mit großer Wirkung – Die Testamente Ferdinand Franz Wallrafs (1748–1824) (DOI: https://dx.doi.org/10.18716/map/00003), in: mapublishing, 2018, Seitentitel: Reaktionen auf Wallrafs Tod (Datum des letzten Besuchs).